Meine nächsten Kurse an Bord finden vom 24. August bis zum 14. September 2019 auf AIDAcara statt.

Sonntag, 11. Oktober 2009

Die dritte Tasse

In diesen Tagen wird wieder viel über die DDR geschrieben. Hier auch eine kleine Erinnerung von mir an diese Zeit.

Wie ja bekannt ist, habe ich vor 25 Jahren einen Seemann geheiratet. Ob mir damals schon klar war, was auf mich zukommt? Jein. In der Theorie war und ist alles doch etwas anders als in der Praxis, trotzdem möchte ich mit niemandem tauschen.

Der Beruf meines Mannes weckte unter den Nachbarn, Freunden, Arbeitkollegen ja sogar in der eigenen Familie Begehrlichkeiten und auch Neid. Er durfte das Land verlassen und wurde noch dafür bezahlt. Die andere Seite, daß wir Ehefrauen und auch die Kinder unter besonderer Beobachtung standen, haben viele nicht gesehen. Gab es Probleme, sei es in der Schule oder im Beruf, hieß der gute Rat immer: "Dein Mann muß halt seinen Beruf wechseln". Allein an dieser Antwort konnte man ablesen, daß diese Leute keine Ahnung hatten oder haben. Als Seemannsfrau ist man immer "nur" die zweite Liebe, das muß man so akzptieren.

Hilfe und Unterstützung fanden wir in unserem Seemannsfrauenclub, den es in fast jeder größeren Stadt gab. Wir trafen uns zum Reden, organisierten Feiern, Kinderfeste und Ausflüge und waren füreinander da. So war ich auch schon ein wenig darauf vorbereitet, was dann geschah.

Der gesamte Haushalt "weiß" genau, wann der Herr des Hauses wieder auf Reisen ist. Meistens dauert es nur ein paar Tage, bis das erste Gerät entzwei geht. Es bleibt dann auch meist nicht lange alleine. Für solche Fälle haben wir dann unsere "Männer für alle Fälle". Das sind gute Freunde oder auch Familienmitglieder, die man bei Bedarf zu Hilfe ruft.

Hans war also mal wieder abgereist und die Klospülung fing an zu tropfen. Ich mußte also meinen "Mann für alle Fälle", Harry, benachrichtigen. Da wir noch kein Telefon hatten, wir standen aber auf der Dringlichkeitsliste, rief ich ihn auf seiner Arbeit an. Er kam dann am nächsten Abend vorbei, um zu schauen, um welchen Schaden es sich handelte. Da der Dichtungsring besorgt werden mußte, versprach er in zwei Tagen wieder zu kommen, was er auch tat.

Einen Tag nach der erfolgten Reparatur klingelt es an der Wohnungstür. Ich öffne und vor mir steht der ABV. Das war der Abschnittsbevollmächtigte, also ein Polizist, der für einen bestimmten Wohnbereich zuständig war. Er drehte verlegen seine Uniformmütze in den Händen und druckste etwas herum. Da mich meine Seemannsfrauen-Kolleginnen informiert hatten, wußte ich eigentlich schon, was er wollte. Ich bat ihn erstmal herein und bat ihm im Wohnzimmer einen Stuhl an.

Verlegen begann er: "Wir haben da Informationen bekommen und ich soll mich erkundigen, ob es vielleicht Probleme in Ihrer Ehe gibt."

Ja, dazu muß ich nun erklären, daß man bei der Reederei auf der einen Seite immer daran interessiert war, daß die Seeleute eine Familie, also Frau und Kinder hatten, damit sie auch wiederkämen, auf der anderen Seite fürchtete man nichts so sehr wie Eheprobleme und mögliche Scheidungen. Damit ein deprimierter Seemann dann nicht etwa im Nord-Ostsee-Kanal an Land sprang, durften solche Wackelkandidaten nur noch rechts herum fahren also zu den Ostessehäfen in Polen oder der Sowjetunion oder man schickte sie erstmal in Urlaub.

Jemand hatte also Harry gesehen und eine entsprechende Meldung abgegeben. Dafür kanem eigentlich nur noch drei weitere Mietparteien auf unserem Flur in Frage, denn sonst konnte niemand wissen, wohin er gegangen war. Daraufhin hatte also der ABV den Auftrag erhalten, sich der Sache anzunehmen. Da er vorher noch nie mit Seeleuten und ihren Familien zu tun hatte, war es ihm hochgradig peinlich.

Ich kochte uns einen Kaffee, wir redeten ein bißchen über das Leben einer Seemannsfrau, ich zeigte ihm die Klospülung und er zog wieder ab.

Ein gutes Jahr später gab es wieder einen häuslichen Notfall, der sogar drei Besuche von Harry notwendig machte. Ich wartete schon und siehe da, kaum ging Harry das dritte Mal aus der Wohnung, traf er auch schon den ABV. Der bekam dann wieder seine Tasse Kaffee, beguckte sich die Reparatur und ging. Vorher meinte ich noch: "Nun waren Sie auch schon zwei Mal bei mir, nicht daß jemand auf die Idee kommt, daß wir ein Verhältnis haben."

Er antwortete: "Da haben sie recht" und ging.

Von nun an brauchten wir immer drei Tassen Kaffee, weil der ABV nie mehr allein bei mir erschien sondern immer einen Kollegen als Anstandswauwau mitbrachte.

Das ist eine der Kurzgeschichten von Anna Bird, andere sind in verschiedenen Anthologien bei Visionart leider bisher nur als E-Book erschienen sind. http://www.visionsart.de/

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